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Die Grundstücke und Häuser der Pécs-Innenstadt – Vorwort

Pécs gehört zu jenen ungarischen Städten, die im Wesentlichen bis zum 20. Jahrhundert die mittelalterliche Stadtstruktur erhalten haben. Das Gassensystem innerhalb der Stadtmauer bildete sich im Mittelalter heraus. Die Türken haben mit ihrer verschwindend geringen Bautätigkeit daran sehr wenig geändert. Die erste wesentlichere Veränderung bedeuteten die Befreiungskämpfe gegen die Türken. Während der schweren Kämpfe verschwanden nämlich ganze Gassenzüge. So verschwand auch der Häuserblock auf dem heutigen Széchenyi tér, vor dem Gebäude des Komitatsrats, dessen Spuren unter dem Straßenbelag noch heute zu finden sind. Die sich nach den Befreiungskämpfen gegen die Türken, der Verwüstung der Kurutzen und der „Raitzen“ [Serben] im Wiederaufbau befindliche Stadt übernahm auch weiterhin das alte Gassensystem, schon deshalb, weil die Häuser auf den Grundmauern der Ruinen der früheren Gebäude erbaut wurden. Die Stadtstruktur hat sich im Nachhinein auch kaum verändert. In vielem verändert hat sich jedoch das Stadtbild. Der vorherrschende Baustil der verschiedenen Epochen hat seinen Stempel immer auf das Stadtbild gedrückt. Die Bautätigkeit ging meist mit Zerstörung einher. Das entstehende Neue hat das Alte erbarmungslos zerstört, unabhängig von dessen Qualitätswert. Die Umbildung des Stadtbildes begann mit dem Abriss der Stadttore. Zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Stadtmauer für die Stadt eher lästig als nützlich. Sie war für die weitere Entwicklung hinderlich. Man hat daher die Tore der Reihe nach abgerissen, auch die Mauern hat man nicht verschont, wo eine Gasse eröffnet werden musste, dort wurde die Mauer durchbrochen. Dieser Prozess begann beim Barbakán. Der Zugang zu den Weinbergen von Pécs war nämlich durch das Északi kapu [Nördliche Tor] möglich, oder mit großem Umweg durch das Szigeti bzw. Budai kapu [Szigeter bzw. Budaer Tor]. Die Öffnung der Gasse und der Mauerdurchbruch neben dem Barbakán geschah ausdrücklich im Interesse der Weinbergsbesitzer. Danach mussten sie keinen Umweg mehr machen. Vom Ende des 18. Jahrhunderts an verschwand die Stadtmauer allmählich total. Sie wurde jedoch dort nicht abgerissen, wo auf den beiden Seiten der Mauer parzellierten kleinen Grundstücken entstehenden Häusern die Stadtmauer als Hintermauer diente, an die man die Häuser stützte. Das Pécs des 19. Jahrhunderts hatte barocken Charakter, trotz der Tatsache, dass die meisten Häuser ausdrücklich kleinstädtisch, sogar ärmlich waren. Das eine oder andere damals erbaute einstöckige Haus steht auch heute noch. Das einstöckige Stadthaus auf der Ostseite des Főtér [Hauptplatz] tat sich auch eher mit seinem einfachen Äußeren als mit barockem Glanz hervor. Es waren in erster Linie die kirchlichen Bauten (Gotteshäuser, Domizile der Domherren), die aus den Baulichkeiten der Zeit herausragten. Nich von ungefähr. Pécs war eine klerikale Stadt, mit dem Bischof als Grundbesitzer. In dieser Zeit spielte sich der Kampf um die Befreiung von der grundherrschaftlichen Abhängigkeit ab (bis 1780). Dieser Streit kostete viel Geld, vor allem aus diesem Grund war die Stadt wirtschaftlich noch nicht so stark, dass sich ihre führenden Bürger Paläste hätten hinstellen können. Eine bedeutendere Bautätigkeit hatte erst die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu verzeichnen. Das um 1780 erkämpfte Patentrecht hat den wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht.

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Das Reformzeitalter hat dafür günstige Möglichkeiten geschaffen. Die zu Wohlstand gelangten Bürger haben der Reihe nach mit dem Bauen begonnen. Der vorherrschende Stil dieser Zeit war der Klassizismus. Dieser war in den Dreißiger-Vierziger Jahren auch in Pécs verbreitet und die Bauausführungen in dieser Zeit haben das barocke Antlitz der Stadt erheblich umgeformt. An der Stelle des alten wurde ein neues Rathaus erbaut, auf der Ostseite des Főtér [Hauptplatz] entstanden die Häuser der „Geschäftsleute“, das Nádor (Vorläufer des heutigen Hotels), das Polgári Casinó [Bürgerliches Casino] (Vorläufer des Gebäudes des Komitatsgerichts), das Theater (in der Déryné, heute Mária utca [Mariengasse]), das Nemzeti Casinó [Nationales Casino] (an der Stelle des FEK), die Bischöfliche Bibliothek. Zahlenmäßig entstanden in dieser Zeit mehr als 40 klassizistische öffentliche und private Gebäude. Den großen Aufschwung hat die nach dem Freiheitskampf folgende Willkürherrschaft gebrochen. Das 19. Jahrhundert ist das goldene Zeitalter der Industrialisierung der Stadt. Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft erwarb die kleinen Bergwerke, erbaut wurde die Bierbrauerei, das Eisenwerk, die Lederfabrik, die Porzellanfabrik, es entstanden die Fabrikarbeiter- und die Bergarbeiterklassen. In den Außenbezirken entstanden reihenweise die Elendsquartiere der Arbeiter, in der Innenstadt die standesgemäßen Häuser der zu Reichtum gelangenden Bürger. In den 60er Jahren kennzeichnete die Romantik die Bautätigkeit der Großbürger (z. B. das Taizs-Haus), das zu Ende gehende Jahrhundert wurde vom Eklektizismus bestimmt, der das Stadtbild grundlegend veränderte. Der Brechhammer ließ zahlreiche äußerst wertvolle Kulturdenkmäler verschwinden, an deren Stelle geschmacklose große Paläste entstanden. Abgerissen wurden die Czindery und die Cséby Häuser, das klassizistische Stadthaus und das Theater, das Nádor Hotel, das Dominikanerkloster, das Bürgerliche und das Nationale Casino, verschwinden ließ man die damals noch stehenden Reste des Bades des Memi Pascha, umgestaltet wurden der „Sétatér“ [Promenade], der Széchenyi und der Kossuth tér, die Deák (heute: Jókai) utca. Die „neuen Gebäude“ ragten störend aus dem bis dahin einheitlichen Stadtbild heraus und haben durch ihre dominierende Stellung den Charakter der Stadt entscheidend verändert. (Postpalast, Sparkasse, heute Sitz des Komitatsrats, Nationaltheater, Hauptbahnhof, Nádor Gasthof, Lóránt Palast etc.), Seit den 30er Jahren drang auch die moderne Architektur in das Stadtbild (z. B. die Belvárosi templom [Innerstädtische Kirche]), jedoch viel maßvoller als der Eklektizismus, und anfänglich nicht in einem Falle in das gewohnte Stadtbild harmonisch eingefügt (z. B. Üdülőszálló [Kurhotel], Pálos templom [Paulinerkirche]). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Pécs zur Großstadt. Die monumentale Architektur hat das Stadtbild völlig verändert, trotz der Tatsache, dass das historische Stadtzentrum weitgehend unberührt blieb. Das Werk von József Madas verfolgt die Spuren dieser großen Umgestaltung mit der Entwicklung und den Veränderungen der innerstädtischen Grundstücke. Eigentlich hat er die Geschichte der Innenstadt aufgearbeitet, mit riesiger Quellenarbeit. Gleichzeitig ist auch dieses Werk als Datensammlung der schriftlichen Denkmäler eine Quelle. Der Geschichtsforscher, ebenso der sich mit der Rekonstruktion der Stadt befassende Architekt kann hier die wichtigsten historischen und technischen Daten finden. Für die weitere, in die Tiefe gehende Forschung wird dadurch Hilfe geboten, dass die originalen Quellen, deren Aufbewahrungsort und Kennzeichnung aufgeführt werden.

Győző Bezerédy